Eigentlich wollte ich heute einen leichten, lustigen, lockeren Blog schreiben. So einen, den man sonntags beim Kaffee liest und dabei ein bisschen schmunzelt. Ich sitze also hier, tippe ein paar Zeilen, lösche sie wieder, trinke einen Schluck Kaffee, starre aus dem Fenster – und erinnere mich an dieses Gespräch im Bus.
Eine etwa 55-jährige Frau erzählte ihrer Sitznachbarin, dass sie jeden Morgen die Kleidung für ihren Mann aufs Bett legt – weil er farbenblind ist und sonst womöglich Blau mit Schwarz kombiniert.
Vor ein paar Tagen allerdings, noch ziemlich verschlafen, hatte sie versehentlich ihre eigenen Socken und ihr T-Shirt bereitgelegt.
Der Irrtum fiel erst am Abend auf – obwohl ihr Partner den ganzen Tag das Gefühl hatte: „Irgendwie sind meine Sachen in der Wäsche eingelaufen.“
Man stelle sich vor, wie unangenehm das gewesen sein muss. Die Frau war sehr zierlich.
Ich musste lachen. Wirklich. Diese Szene hatte alles: ein bisschen Alltagskomik, ein bisschen Ehe-Routine und ein ordentlicher Schuss menschlicher Schusseligkeit.
Aber ich wäre nicht ich, wenn ich mir nicht auch Gedanken darüber machen würde, was dahintersteckt.
Warum denkt diese Frau, sie müsse jeden Tag die Kleidung ihres Partners herrichten?
Will er das? Oder ist das längst ein Automatismus?
Wo beginnt die Grenze des anderen – und wo wird sie überschritten?
Wie viel Verantwortung übernehme ich für mein Gegenüber – und wann wird daraus ein Übergriff?
Ist es legitim, über solche Situationen zu lachen, einfach weil sie in dem Moment komisch wirken?
Und – warum um Gottes willen denke ich so viel darüber nach?
Mir fällt auf – und vielleicht erkennst du dich auch darin wieder –, dass ich sehr aufmerksam geworden bin.
Oft frage ich mich: Wie war das gemeint?
Ich zucke zusammen, wenn Menschen Worte benutzen, die man „heutzutage nicht mehr sagt“. Und ich erschrecke noch mehr, wenn mir selbst so ein Spruch rausrutscht.
Ich überlege genau, wann ich etwas für jemanden tue, ohne darum gebeten worden zu sein. Ist es nicht traurig, dass wir so viel Spontanität einbüßen, nur um politisch korrekt zu bleiben?
Wir haben uns daran gewöhnt, bestimmte Worte nicht mehr zu verwenden.
Manchmal führt das dazu, dass wir stundenlang um den heißen Brei herumreden – ohne zu einer echten Lösung zu kommen.
Oder wir verstummen, wenn unser Gegenüber sich ungeschickt ausdrückt, statt nachzufragen oder klar Stellung zu beziehen.
Ich frage mich wirklich:
Wie viel Raum geben wir einander – und auch uns selbst?
Manchmal scheint es, als gäbe es viele Menschen, die gar keine Grenzen mehr kennen.
Ein Blick über den großen Teich genügt, um zu sehen, wie ungefiltert, übergriffig – oder vielleicht sogar ansteckend – Worte sein können.
Ich bin der Meinung:
Ja, wir sollten sehr wohl überlegen, was wir sagen.
Ja, wir sollten bewusst handeln und uns fragen, welchen Eindruck wir hinterlassen.
Aber ich wünsche mir auch ein Stück Unbeschwertheit zurück.
Dass nicht alles hinterfragt oder auf die Goldwaage gelegt wird.
Und dass wir wieder mehr füreinander einstehen. Einfach da sind – ohne Hintergedanken.
Am 19. Oktober 2025 machen Nicole Diana Kaufmann und ich einen Workshop zu diesem Thema.
Schau doch bitte in die Agenda auf meiner Homepage unter Yoga& Dialog
Herzliche Grüsse,
Nicole 🌸
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